Savoyen für Weinhipster

Schon einmal von Jacquère, Mondeuse, Persan oder Roussette gehört? Ich vermute, dass die Wenigsten das haben. Fragt sich eigentlich warum? Denn die daraus gekelterten Weine dieser allesamt autochthonen Rebsorten der französischen Weinregion »Savoie« (Deutsch: »Savoyen«) können etwas Besonderes sein.

Savoyen liegt in einem Dreiländereck. Dem entsprechend bewegt ist die Historie dieser Region. Hier begegnen sich Frankreich, Schweiz und Italien. Erst seit etwa 150 Jahren ist Savoyen ein Teil Frankreichs. Gelegen in und an den französischen Alpen, nahe des Genfer Sees, unweit des Mont Blanc und dem italienischen Aosta-Tal bietet Savoyen eine sehr heterogene Landschaft mit einigen Seen, Bergen und Tälern. Es ist eine der höchstgelegenen Regionen in ganz Europa und den meisten am ehesten noch bekannt durch das Ski fahren im Winter.

Überwiegend wird hier Weiß- und Perlwein erzeugt, der zumeist sehr frisch und trinkig ausfällt und oft mit sehr moderaten Alkoholgehalten (oft zwischen 11-12%) ausgestattet ist. Ein weiteres Goody: Die Weine sind verglichen zu den nach oben schießenden Preisen anderer, bekannterer Regionen Frankreichs, noch sehr moderat bepreist. Ich vermute, dass sich dies in den nächsten Jahren ändern wird, da Savoyen – ähnlich wie das Jura – wieder hip zu werden scheint.

Ein Grund warum so wenige Weintrinker und -liebhaber die Weine der Region Savoyen schätzen, liegt wohl in der einfachen Tatsache begründet, dass die wenigsten Weine in den Export gelangen (zumindest seltenst nach Deutschland). Man kann sie fast nirgends kaufen. Vieles wird vor Ort getrunken.

So war es Anfang diesen Jahres auch mehr oder weniger ein riesiger Zufall, dass ich in einem Käseladen in Hannover auf Weine aus Savoyen stieß. Dass der Händler diese Weine zu bestimmten französischen Käsesorten verkauft, war wiederum kein Zufall, denn zu einigen passen diese frisch-mineralischen Weine sehr gut. Vor allem zu den entsprechenden Käsesorten, die selbst aus Savoyen stammen. Kein Zufall wiederum war auch, dass der Besitzer Franzose war. Was wiederum erklärt, dass er solche Weine überhaupt führte.

Kaum ein interessierter Gaumen wird jetzt nach Hannover fahren, um den besagten Käsehändler ausfindig zu machen. Muss auch niemand, denn bei vinatis.de – einem mittelständischen Weinversand aus der Haute-Savoie – genauer gesagt Annecy, gelegen am Nordufer des wunderschönen Lac d’Annecy, kann man Weine aus dieser Region direkt nach Hause bestellen. Da vinatis aus der Region kommt, führen sie Weine, an die man sonst so gut wie gar nicht in Deutschland kommt. Zwei Weine aus diesem Sortiment möchte ich gerne vorstellen.

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Lac d’Annecy

»Le Golliat«, Cru Marestel, Château de la Mar, Savoie, 2015, 12,5% oder 13%, ca. 18€

Das »Château de la Mar« liegt mitten in den Weinbergen des kleinen Ortes Jongieux. Lediglich 7 ha Weinberge gehören zum Anwesen des schön restaurierten und zum Verweilen einladenden Hotels.

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Beim »Le Golliat« handelt es sich um die einheimische Rebsorte »Roussette«, welche auch »Altesse« genannt wird. Roussette ist die hochgelobteste Weißweinsorte aus Savoyen, der das größte Potential nachgesagt wird. »Marestel« ist ein »Cru Roussette de Savoie«, d.h. auf Deutsch ein Großes Gewächs. Es gibt nur vier Crus in Savoyen, die diese Bezeichnung für einen Roussette zulassen: Marestel, Frangy, Monterminod und Monthoux.

Der »Le Golliat« hat kein Holz gesehen, sondern wurde für 1 Jahr im Stahltank auf der Feinhefe ausgebaut. Nur ca. 4000 Flaschen werden jährlich davon produziert. Er hat eine strohgoldene Farbe, eher kräftiger im Vergleich zu den meisten Weinen, die ich bisher aus Savoyen kenne. So unterscheidet sich auch das Bouquet: Aus dem Glas steigen eher reifere Noten von Aprikosen, Pfirsich, Honig, Butter, Nüssen und leicht süßlichem Gebäck empor. Alles mit einem leicht floralen Touch.

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Bei der Lese. Unten: Das Château de la Mar

Le Golliat bietet einen schönen Trinkfluss, gestützt durch eine präsente Säure und eine leichte Süße (wobei ich annehme, dass er nicht all zu viel Restzucker besitzt). Der Wein wirkt sehr kräftig und komprimiert und könnte durchaus noch etwas mehr Flaschenreife vertragen. Kleines Manko hier: Der Schaumstoffkorken, der Wein meist schneller altern lässt, als unter einem normalen Korken. Schade eigentlich, denn der Inhalt dieser Flasche besitzt durchaus die Würde für einen echten Kork.

Im Mund erinnert der Wein an kandierte Birne, hat einen leicht nussigen und mineralischen Geschmack mit einer dezenten Bitternote im Abgang. Für mich ein Wein zu weißem Fleisch wie z.B. Hähnchen Schenkel in Orangensauce. Hier kann man den neuen Jahrgang 2016 kaufen:

»Château de la Mar Le Golliat Marestel 2016«

Zu empfehlen ist auch der einzige Rotwein von Château de la Mar, der »Mondeuse«. Auch wenn dieser aktuell bei vinatis ausverkauft ist.

»Argile Blanc«, Domaine des Ardoisières, IGP Vin des Allobroges, 2016, 11%, ca. 18€

argile-2016-domaine-des-ardoisieresDie »Domaine des Ardoisières« ist ein sehr junges Weingut, welches erst 1998 ins Leben gerufen wurde. Beflügelt von einem Traum eine große, verfallene und außergewöhnliche Lage in Cevins wiederzubeleben. Derzeit sorgt die Domaine vor allem in Frankreich für Aufsehen.

Die Lagen sind mit bis zu 60% Neigung schwer zu bearbeiten, von denen inzwischen knapp 13 ha von Brice Omont, einem ehemaligen Agraringenieur aus der Champagne, und seinem Team biologisch bewirtschaftet werden.

Die Trauben für den Argile Blanc stammen aus der Region um St. Pierre de Soucy. »Argile«, was übersetzt »Ton« bedeutet (eine Anspielung auf den tonhaltigen Oberboden), ist eine Cuvée aus 40% Jacquère, 40% Chardonnay und 20% Mondeuse Blanche. Die Erträge sind minimal und liegen zwischen 15-35 Hektolitern pro Hektar. Der Argile Blanc und der Argile Rouge sind die Einstiegsweine der Domaine und zugleich dessen zugänglichsten Weine. Der Ausbau erfolgt für knapp 8 Monate zu 1/3 in gebrauchten Barriques und zu 2/3 im Edelstahl. Es wird spontan vergoren und am Ende leicht filtriert. Produktion für den Argile Blanc: Ca. 20.000 Flaschen.

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Domaine des Ardoisières: Lagen mit bis zu 60% Neigung

Im direkten Vergleich zum Le Golliat zeigt sich der Argile deutlich heller in seiner Farbe, fast schon mit minimaler Farbausprägung. Das Bouquet ist sehr zart und zurückhaltend. Es wirkt zitrisch, leicht mineralisch und hat eine funky Note, die man nicht gleich identifizieren kann. Weit entfernt im Hintergrund erkennt man einen reiferen Kern, der mich persönlich an etwas tropisches erinnert, vielleicht Litschi. Leichte Nuancen von Feuerstein oder abgebrannten Streichhölzern sind erkennbar, etwas frischer Zitronensaft mit dezenter weiß-gelber Frucht als Rückgrat.

Schöne alpine Frische beim Trinken. Sehr klar, aber auch etwas zurückhaltend, leicht medizinal und buttrig, deutlich leichter als der Le Golliat. Der Wein wirkt fast unaufgeregt, irgendwie in sich ruhend und dennoch nicht banal.

Für mich ein Seafood-Wein par exellence. Toll auch als Aperitif im Sommer oder zu leichten Speisen. Hier könnt ihr den Stoff kaufen:

»Domaine des Ardoisières Argile Blanc 2016«